Mittwoch, 3. Dezember 2008

Corida de toros

Nach einigem kartentechnischen Hin-und-Her hatte es sich dann dann letztendlich doch entschieden: Ursprünglich waren mir die 45 $ für den Eintritt zu den alljährlichen Stierkämpfen anlässlich der Fiestas de Quito zu viel, aber als mich dann Paul in Not anrief und seine schon gekaufte Karte loswerden musste, entschied ich mich doch für diese Erfahrung spanisch-ecuadorianischer Kultur.
So machte ich mich dann auch mit Julia, Parviz und Tato zu den Eröffnungsstierkämpfen diesen Jahres. Am selben Tag war auch der Geburtsta von Tato, so dass wir gleich doppelt Grund und Lust zu feiern hatten.

Angekommen in der „Plaza de Toros“ erwarteten uns nicht nur die Menge der anderen Zuschauer, sondern auch haufenweise fliegende Händler, die zu unverschämten Preisen Lebensmittel und zu hervorragenden Preisen Hüte verkauften (man erinnere sich an den Verlust meines ersten Panamahutes...).
So erstanden wir nach kurzer Verhandlung - „Ein Hut, 15 $!“ ~ „2 für 10!“ ~ „OK!“ - unsere Sonnenprotektoren des Tages, mit der an jeder Ecke verschenkten Sonnencreme kam ich tatsächlich ohne Sonnenbrand durch den Tag.
Mit den frisch gekauften Sombreros ging es dann hinein in die feiernde Menge, die sich hauptsächlich um das gigantische Brahmazelt scharten, um hier einen Dreiviertelliter Bier für einen Dollar zu erstehen. Btw gab es mehr Bier als Wasser zum selben Preis...

Frisch gestärkt und mit dem hoffnungslos überteuerten Sandwich in der Hand ging es auf die Zuschauerränge der Arena. Viel kleiner als erwartet bekam ich auf den engen Sitzen der runden, steil ansteigenden Arena das erste Gefühl, mich im alten Rom zu befinden.
Nach der Schweigeminute für die gestorbenen Toreros und der Nationalhymne folgte der Einmarsch der Toreros, die sich hier schon kräftig feiern ließen. Was die beiden Toreros auf gepanzerten Pferden zu bedeuten hatten, würde sich mir erst später erschließen.

Neugierig auf den Stierkampf selbst beobachteten wir die Toreros bei ihren Vorbereitungen, Tücher schwenkend und seltsame Gerätschaften vorbereitend.
Dann machte ein Mann mit einem an Boxkämpfe erinnernden Schild die Runde in der Arena, auf dem Zuchtort und Gewicht des Stieres, sowie der Name des Matadores zu lesen waren.

Und dann kam auch schon der erste Stier unspektakulär in die Arena gelaufen.
Das erste was mich erstaunte, war die Tatsache, dass das Torerodasein ein Teamspiel ist. Sechs Toreros gegen einen Stier. Das zweite: Die roten Tücher sind rosa. Und schließlich das dritte: Die Toreros haben Zufluchtsschanzen aus Holz, welche in die Mauer der Arena eingelassen sind.Und diese Schanzen werden auch ohne Scham genutzt.
Von dem erwarteten Gefühl der Gefahr für die Toreros keine Spur.

So beschränkten sich die Toreros auch eine ganze Zeit lang darauf, mit ihren Tüchern hinter den Schanzen hervorzuwinken, woraufhin der Stier gegen das Holz rannte. Zwar ganz lustig anzusehen, aber nicht, was ich von einem Stierkampf erwartet hatte.
Nach zehn Minuten dieses Spieles, dass wohl zur Ermüdung des Stieres dienen sollte, kommen die zwei Toreros auf ihren gepanzerten Pferden hereingeritten. Die beiden tragen lange Lanzen und jetzt kommen auch die anderen aus ihren Schanzen hervor.
Von den Tüchern gereizt und angelockt läuft der Stier dicht an einem Reiter vorbei und bekommt eine Lanze zwischen die Schulterblätter. Wild geht er auf das Pferd los, das alles mit verbundenen Augen mit sich machen lässt und von den Hörnern des Stieres ein gutes Stück in die Höhe gehoben wird. Dank Panzerung passiert nichts und bald gibt der Stier das Spiel mit dem Pferd auf.
Er blutet jetzt heftig und beim nächsten Angriff auf einen Torero stolpert er ungeschickt und zieht eine Furche in den Sand der Arena.
Die schrägen Trompeten des Soldatentrios blasen und ein Torero tritt in die Mitte der Arena. Er trägt zwei Messer, an denen lange bunte Stäbe befestigt sind. Wild winkend läuft er auf den Stier zu, der prompt reagiert und auf ihn zurast.
Ein geschmeidiger Sprung, zwei Stöße und der Torero landet hinter dem Stier, aus dessen Rücken zwei Messer ragen, von denen die bunten Bänder baumeln.

Noch ein wenig wird mit dem Stier gespielt, dann ziehen sich die Toreros in ihre Schanzen zurück und der Matador betritt die Arena. Er trägt jetzt auch das rote Tuch, dass ich anfangs vermisste.
In der anderen Hand hält er ein Rapier, mit dem er das Tuch aufspannt. Er schreitet bis in die Mitte der Arena, grüßt unter dem Applaus der Menge mit seiner Mütze in die Runde und legt sie dann ab, um sich dem Stier zu stellen.
Unter den „Olé!“-Rufen der Zuschauer reizt er den Stier, lässt ihn dicht an sich vorbeilaufen, streift die Flanke und führt das Tier immer wieder in Kreisen um sich herum.
So geht es zehn Minuten weiter, bis der Stier vor Erschöpfung und Blutverlust zitternd vor dem Matador steht. Mit dramatischer Geste hebt der Matador das Rapier und zielt.
Dann ein Sprung nach vorne und ein Stoß.
Bis zum Griff steckt das Rapier in der Lunge des Stieres, der erzitternd losläuft, bis zum Rand der Arena kommt, in den Vorderbeinen einbricht.
Bebend kämpft sich der Stier noch einmal auf die Beine, die herbeigelaufenen Toreros reizen ihn mit ihren Tüchern, doch der Matador winkt ab. Er weiß, dass es vorbei ist.
Ein Zittern durchläuft die ganzen 455 Kilo Stier, dann bricht er zusammen, rollt auf den Rücken, die Beine zucken. Ein Mann läuft mit einem Messer herbei und setzt einen Todesstoß in den Nacken, als auch schon ein Karren mit zwei vorgespannten Pferden hereinrollt. Mit geübter Präzision wird der Kopf des Stieres eingespannt und die massige Gestalt aus der Arena geschleift.
Unterdessen setzt sich der Matador seinen Hut wieder auf und dreht seine Runde um die Arena.
Es regnet Rosen und Hüte, während die Menge stehend applaudiert.

Dann kommt auch schon der nächste Stier, der nächste Matador, der nächste Tod.

Man möge mich jetzt pazifistisch oder verweichlicht nennen, aber ich konnte dem Ganzen recht wenig abgewinnen. Es hat sich gelohnt, einmal im Leben einen Stierkampf gesehen zu haben, schon allein, um zu wissen, dass es der Letzte war. Zu sehen, wie das Tier so gequält wird und wenn der Matador am Ende den Todesstoß nicht setzen kann und drei, vier, fünf Anläufe braucht, bis der Stier so viel Blut verloren hat, dass er sich nicht einmal mehr bewegt, sondern nur auf den Tod wartet – Das hat nicht einmal mehr blutige Ästhetik.

Dagegen hatten die Kämpfe des weltbesten Matadores „El Juli“ etwas faszinierendes.
Die Art und Weise mit der er den Stier durch die Arena und um sich herum geführt hat, hatte definitiv etwas elegantes. Auch dass er der Einzige war, den Stier mit nur einem Stoß zu töten, ließ das Ganze wesentlich weniger grausam erscheinen und hatte etwas Symbolisches – Die Superiorität der Intelligenz über bloße Kraft.

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