Samstag, 27. Dezember 2008

¡feliz navidad!

Da ich schoenerweise gerade kurz vor meiner Reise an den Strand noch die Zeit gefunden habe auf den Bus wartend ein Internetcafe aufzusuchen, kann ich euch allen noch nachtraeglich frohe Weihnachten wuenschen, passend die frohen Feiertage und im Voraus einen guten Rutsch und ein frohes Neues!

Bleibt fit, haut rein und in weniger als einer Woche komme ich schon dieses Jahr wieder :D

Euer Kai

Freitag, 26. Dezember 2008

Ferien auf dem Bauernhof

Wie schon Anfang Dezember abgemacht, wollten wir Freiwilligen alle unseren verlorenen Sohn Paul auf der Farm in Tabacundo besuchen. Tabacundo liegt ein ganzes Stück außerhalb von Quito, Luftlinie zwar maximal 50 km, dank der unfassbar ungünstigen Busverbindungen jedoch geschätzte 2 Stunden und gefühlte Ewigkeiten entfernt.
Da Paul für meinen Geburtstag ohnehin nach Quito gekommen war, hatten wir einen verlässlichen Busguide, auch wenn wir eine neue Busroute ausprobierten, die selbst Paul noch nicht bekannt war.
Angeblich kürzer erwies sich der Weg über „El Quinche“ dann doch als länger und nach einigem Warten an diversen Straßen und einem freundlichen Otavalobus, der uns schließlich doch noch mitnahm, kamen wir an der Farm an.
Zumindest an der Abzweigung der Straße, von der nur ein autotauglicher Feldweg und ein schmaler Fußpfad zur Farm hinunterführte.
5 Minuten Fußmarsch durch den dichten Eukalyptuswald später hatten wir dann endlich dieses abgelegene Stück Erde erreicht. Von den ehemalig angekündigten Freiwilligen war letztendlich doch nur Jakob mitgekommen und so erhofften wir drei uns in der guten alten Zivibesetzung ein ruhiges Wochenende machen zu können.
Das wurde jedoch gänzlich enttäuscht, als wir durch den Garten der hazienda stapften, denn vor uns breitete sich ein ganzer Schulausflug aus. Ein Dutzend Busse hatte die Schüler aus Quito hergebracht und hier in der freien Natur wurde jetzt ausgiebig Weihnachten gefeiert. Mit discomovil und allem Drum und Dran.

Doch wir ließen uns davon nicht weiter stören und uns die Farm von Paul zeigen.
Von den Meerschweinchenställen über das Freigehege der Hühner mit ihrem kämpferischen Hahn ging es vorbei an burro, dem Esel zum Prachtstück der granja und Pauls ganzem Stolz: Dem Gemüsegarten.
Hier kultiviert Paul mit den anderen Freiwilligen – wenn denn man Arbeitswillige dabei sind – sämtliches erdenkliches Gemüse, sowie Brombeeren. Dabei haben sich da ein paar schlaue Köpfe einige Gedanken gemacht, durften wir doch ökologisch verträgliche Verbesserungen der Arbeit auf dem Bauernhof bewundern. Da wurden die herumscharrenden Küken zum Beet-Umgraben benutzt und Kartoffelpflanzen in Fässern gezüchtet, um den Ertrag zu steigern. Außerdem kamen wir in den Genuss des Wissens um „gute“ und „schlechte“ Scheiße, sowie, dass Pilze nur auf Esel- und Pferdedung wachsen.
Dahingehend intellektuell gesättigt konnten wir uns schließlich mit den mitgebrachten oder selbstgeernteten Zutaten in einer Kochorgie auslassen und die leeren Mägen füllen.
Im Anschluss daran wurde mal wieder deutsches Kulturgut verbreitet, wenn auch nur unter Deutschen. Denn Jakob ließ einen erschreckenden Mangel an Skatkenntnissen erkennen, den Paul und ich alsbald behoben, wenn auch selbst Paul noch nie was von „Omma“, „Flöte“ oder „mauern“ gehört hatte.


Am nächsten Tag klingelte schon früh der Wecker bzw. kam Papa Paule ins Zimmer getrampelt, um die verschlafenen Städter auf die Beine zu bringen. Denn wir hatten uns für den Sonntag einen Trip zur Cuicocha-Kraterlagune vorgenommen.
Nach einem Frühstück aus Rührei von eigenen Hühnern und Milch, kaum älter als zwei Stunden, ging es dann der Abwechslung halber wieder mit dem Bus los. Kurzer Umstieg in Otavalo, dann in Quiroga mit der Camioneta rauf zur Lagune.
Wir genossen den beeindruckenden Blick auf den Meerschweinchen-See mit seinen zwei Inseln, auch wenn das Wetter mit Nieselregen und kühlem Wind nicht so recht mitspielen wollte. Bei den geschätzten 15 Grad konnte sich dann auch keiner von uns zu einem Bad im kalten Bergwasser hinreißen lassen, auch wenn es verlockend klar und still war.
Von der Lagune machten Jakob und ich uns direkt wieder auf den Heimweg, der Montag sollte wieder Arbeit bringen, Paul dagegen kehrte auf seine Farm zurück.
Doch schon kurz nach Weihnachten wird es wieder weitergehen, auf zur Küste, die „ruta del sol“ ruft!

Dienstag, 23. Dezember 2008

„Hola, hola papa noél ist da!“ - Oder: Wie spielt man „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ in Ecuador?

Wie weit man es ohne Geld aber dafür mit unglaublicher Energie und Hingabe schaffen kann, habe ich den vergangenen Dienstag wieder in meiner guarderia Santa Inez erfahren.
Etwas verspätet – man passt sich ja an die Gegebenheiten vor Ort an – kam ich in den Kindergarten, wo schon einige mir unbekannte Frauen eifrig obskure Gegenstände von einem Laster abluden und zum benachbarten Fußballplatz trugen.

So musste ich an diesem Tag auch nur kurz auf die schon erwartungsfreudig im Gebäude herumlaufenden Kinder aufpassen, und einige Dekorationen basteln, bevor es nach etwa anderthalb Stunden auf den Fußballplatz ging. Dort waren mittlerweile schon eine Hüpfburg und einige andere große Spielgeräte aufgetaucht, auf die sich die Kinder sofort mit Begeisterung stürzten.
Hier hatte ich auch endlich die Muse, bei Yolita nachzufragen, woher denn das ganze Zeug kommt und wer das vor allem bezahlen sollte.
Mit einem Grinsen im Gesicht wurde ich auf die stets helfenden Frauen in modischen Kostümen hingewiesen, mit der Erklärung, dass diese so großzügig gewesen wären, alles zu organisieren und vor allem zu bezahlen.

So verging der Vormittag ruhig und gelassen damit, dem gemieteten Weihnachtsmann dabei zu zuschauen, wie er die Kinder unterhielt, Zuckerwatte verteilte, Hot-Dogs verabreichte und schließlich sogar noch ein Geschenk für jedes Kind aus seinem Sack holte.
Die so errungene Freizeit verbrachte ich damit, mich mit einem helfenden Sohn bekannt zu machen, Student an der Universität San Francisco, was die Geldfrage endgültig überflüssig machte.
Nach dem üblichen Standardpalaver (Wo kommst du her? Wie findest du Ecuador? Wo warst du schon? Wie gefällt dir XY? - Wobei XY immer der Herkunftsort des Fragenden ist) bekam ich dann auch noch die ecuadorianische Version von „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ erklärt und die geht so:

„Qien qiere al hombre negro?“ „Wer mag den Neger?“
„Nadie!“ „Keiner!“
„Y porque?“ „Und warum?“
„Porque es negro!“ „Weil er schwarz ist!“
„Y que come?“ „Und was isst er?“
„Carne!“ „Menschenfleisch!“
„Y que bebe?“ "Und was trinkt er?“
„Sangre!!!“ „Blut!!!“

Und da rede bei uns nochmal einer von Rassismus...

PS: Leider hat die Kamera nach den paar Fotos den Geist aufgegeben, deshalb nur wenige...

06.12.08 - Fiestas de Quito

Sechster Dezember!
Chivas auf allen Straßen!
Tanz und Besäufnis in allen Ecken!

Das sind die Fiestas de Quito.
Zumindest hatte man uns das versprochen. Unsere Koordinatorin Gina hatte uns sogar zu einer Reunión zusammengerufen, um uns vor dem wilden Spektakel zu warnen, uns zu ermahnen, nicht zu viel zu trinken und immer in der Gruppe unterwegs zu sein.
Eine ganze Woche lang sollte die Party gehen und sich über die ganze ecuadoriansche Hauptstadt erstrecken.
So machte ich mich am Donnerstag in der Fiestas-Woche auf den Weg nach Quito, Ziel die angepriesene „Avenida Amazonas“, als Rückhalt hatten wir uns noch die „Naciones Unidas“ ausgeguckt. In Quito angekommen, halb mit der Erwartung, dass schon am Busterminal die ersten Feiern zu sehen wären oder zumindest das normale Straßenbild Quitos um den einen oder anderen Besoffenen erweitert sei, fanden wir jedoch nichts dergleichen.

Auch die Amazonas erwies sich als Enttäuschung und als selbst in der Naciones Unidas nichts von Feiern oder auch nur „comida tipica“ zu finden war, sondern nur eine einsame Chiva mit nicht mehr als ein paar Musikanten beladen an uns vorbeifuhr, entschieden wir kurzerhand, nur dem Einkaufszentrum Quitos einen Besuch abzustatten, etwas zu essen und wieder nach Hause zu fahren.
Glücklicherweise kam dem ein Anruf Julias dazwischen, die uns dann davon berichtete, dass in der Floresta, einem Stadtteil von Quito, ein Bus eine geführte Stadtrundfahrt machen sollte, machten wir uns dorthin auf.
Nach kurzem Suchen und Nachfragen am Park der Floresta konnten wir nach Ticket-Hin-und-Her auch tatsächlich die „chiva cultural“ besteigen. Was beim Namen schon befürchtet war, erwies sich dann schnell als wahr. Wir hatten nicht den Bus einer Stadtrundfahrt bestiegen, sondern uns einer kulturellen Rundfahrt im „barrio floresta“ angeschlossen.

Chivas: Die das ganze Jahr über fahrenden, zu Zeiten der fiestas de Quito jedoch besonders frequentierten Chivas, bilden einen großen Teil der Kultur der Sierra. Diesen Bussen fehlt Dank einem Pimpmeister der ecuadorianischen Sorte nicht nur die Seitenverkleidung, sondern bieten neben Platz für eine Puebloband auf dem Dach auch einen Tank für den allgegenwärtigen „canelazo“ (s.u.) und Sitze für 60 Mann – Natürlich auf einem Bus für 30.

Diese „chiva cultural“ bot jedoch weder Band, noch Canelazo, dafür aber ein Filmteam und zwei unfassbar übermotivierte Führer in Althippytrachten. Von diesen geleitet ging es dann zur „Blume Ecuadors“, der Orchidee, genauer einem Orchideengeschäft. Die, mich als alten Biologen, noch interessierenden Ausführungen zu Zuchtweise und Artenreichtum der Blumen riefen bei Jakob nur ein müdes Gähnen hervor. Weiter ging es über die Werkstatt eines der „größten Talente, der größten Künstler, der besten... blablabla... ganz Ecuadors“, wo wir eine besondere Art der Möbelherstellung bewundern durften zu einem Universitätsgebäude, dass architektonisch recht interessant gestaltet war. Über das Atelier-Restaurant einer Pappmachékünstlerin und eine kleine Artesanalwerkstatt, die sich auf die Arbeit mit Naturfasern spezialisiert hat kamen wir dann auch wieder zurück.
Beruhigt das Gewissen, mal etwas kulturelles gemacht zu haben und interessant war das Ganze auch, wobei es jedoch nicht gerade die Erwartungen an die fiestas erfüllen konnte.

Der Tag darauf konnte neben Pauls Ankunft von der hazienda auch mit der Einladung Tatos zum Puntas-kaufen und Canelazo-machen aufwarten, woraufhin eine chiva-Tour angeschlossen werden sollte. Das Ganze abgerundet mit comida tipica versprach ein ecuadorianischer Tag mit Einblick in die Festivitäten Quitos zu werden.
So ging es dann in dem mit zehn Leuten beladenen Auto Tatos auf Richtung Äquatorlinie, auf der ein kleines unbedeutendes Dorf liegt, dass jedoch Hochburg der ecuadorianischen Puntas-Herstellung ist.

Puntas und Canelazo: Puntas ist der selbstgebrannte Zuckerrohrschnaps Ecuadors und wird in unterschiedlichen Methoden im ganzen Land hergestellt. Dabei variieren nicht nur Stärke und Geschmack schon innerhalb der herstellenden Pueblos, ein maßgeblich zu berücksichtigender Faktor ist auch der am nächsten Tag ausstehende chuchaki, der Kater, welcher sich bei dem zwischen 65 und 90 Umdrehungen starken Teufelzeug schnell einstellt.
Im Dezember wird Puntas jedoch nicht pur getrunken – solang man nicht Freiwilliger ist -, sondern zu Canelazo verarbeitet. Dieser „Glühwein Ecuadors“ wird je nach Geschmack mit Zimt, Naranjillas oder einfachem Orangensaft hergestellt und nach Belieben mit diversen Zusätzen eingedickt, sowie ordentlich gesüßt


Auf der Rückfahrt gab es dann die versprochene comida tipica, die sich bei der gesamten Gesellschaft als fritada mit moté, choclo, tostado und einer einsamen Kartoffel herausstellte und mir prompt Magenprobleme bereitete. Kann aber auch an den zwei Meerschweinchen gelegen haben, die draußen im Grill auf die letzte Hitze warteten, bevor sie verzehrt werden sollten.
Obwohl wir anschließend einen kurzen Abstecher nach Quito machten, war dort außer Regen nichts auszumachen, schon gar nichts feierliches und so ging es wieder nach Heim.

Comida tipica: Ist meistens Reis oder Mais mit irgendwas. Wobei Mais hier nicht gleich Mais ist. So ist moté gekochter weißer, tostado in einer Pfanne mit ein wenig Öl getoasteter gelber Mais und choclo der gekochte ganze Kolben. Auch das begleitende (meist Schweine-) Fleisch reicht in der Palette von fritada (mit viel Fett gebraten) über hornado (als komplettes Schwein aus dem Ofen gezogen) bis zu den Standardformen, die wir auch in Europa kennen.

Da auch an den folgenden letzten Tagen der fiestas in Quito nichts zu sehen war, bleibt meine Bilanz für diese Volksfeiertage bei miserabel. Sieht man von den Stierkämpfen ab, sowie davon, dass die mariscal unfassbar überfüllt war, ohne das mehr als Besäufnisse zu sehen gewesen wären, hätte das Wochenende auch an jedem anderen Datum im Jahr sein können...
Recht enttäuschend für den wichtigsten Feiertag Ecuadors.

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Adventskalender und Fußball

Mit der kräftigen Bastelhilfe meiner kleinen Cousine und meiner Gasteltern wird hier in Ecuador eifrig die deutsche Kultur verbreitet. Denn als auf die Frage, ob man hier denn Adventskalender kennen würde nur ein unverständliches Nein geantwortet wurde, fasste ich kurz entschlossen den Plan, einen Adventskalender für meine Gastgeschwister zu bauen.
Also ging es auf in den SuperPaco, Schreibwarenladen meines Vertrauens, und mit Tonpapier, Geschenkband und Schere beladen, sowie drei Kilo Süßigkeiten im Gepäck ging es an die Arbeit.

Der Entwurf für ein selbstgebasteltes Geschenk war schnell gemacht, Dank an die Geometriestunden beim guten alten Otti. Einige Stunden Arbeit, zahllose Klebereien und 24 Schleifen mit Geschenkband später konnte ich stolz den ersten Adventskalender meines Lebens aufhängen und die Nummer Eins mit Schokolade bestücken.
Nur eins steht fest: Der nächste Adventskalender in meinem Leben wird gekauft.

Die hintergründige Absicht hinter dem Bau war ursprünglich, den beiden Kindern beizubringen zu teilen – Immerhin gibt’s nur einen Kalender für beide. Da gabs aber heute schon einen herben Rückschlag. Nicole konnte natürlich nicht abwarten, bis der kleine Mattheo das Geschenk geöffnet hatte, sondern riss ihm alles aus der Hand und das Geschenk mit einem Ruck auf...
Es gibt Momente, da könnte man Kinder schlagen.
Aber da das ja auch nicht weiterhilft, auch wenn es in diesem Moment äußerst befriedigend ist, habe ich ihr nochmal das Prinzip des Kalenders erklärt. Alles wartet gespannt auf ihr Verhalten am Vierten.


Aber genug vom Frustrierenden. (Anmerkung: Maria findet Konsequenzen für ihre Kinder, wenn sie was Schlechtes machen – Sollte da Etwas in Bewegung geraten sein?)
Denn ich war mit Jose Luis aus dem Colegio bei dem Spiel des ecuadorianischen Fußballjahres.
„La Liga“ vs. „Deportivo Quito“ auch die „Preservativos“ gegen „Chiquito Quito“ genannt.
Mit Jose Luis und einem anderen Freund auf der Tribüne der Quitenos schauten wir uns mit dem guten Pilsener in der Hand das Spiel an. Das prall gefüllte Stadion sorgte von Anfang an für eine unglaubliche Stimmung, das „Quito Corazon“ der Blauroten wurde mit weißem „Liga Campeon!“ beantwortet, es regnete gelbe Karten auf dem Spielfeld, auch wenn (vollkommen unnormal hier) kein einziger Spieler vom Platz flog.

„Liga“ spielte technisch besser, bekam seine Chancen und einen Elfmeter verweigert. Doch als Quito das erste Tor schoss, standen die Liguillas verzweifelt auf dem Platz und meine Tribüne auf dem Kopf. Girlanden und Konfetti flogen auf das Spielfeld, es regnete Bier und im allgemeinen Freudentaumel umarmte sich feiernd die ganze Tribüne.
Als kurze Zeit später auch noch das zweite Tor für die academia fiel antworteten die Fans der Liga nicht mehr auf das höhnische „Y dale, dale, dale Quito, dale!“ der Quitenos, sondern begannen das Stadion zu verlassen.
Alles in allem eine riesige Fußballfeier im Stadion, die auch nach dem Spiel durchweg friedlich ablief.
Als ich am nächsten Tag Diego – Ligafan - nach dem Spiel fragte, winkte der nur mit einem gequälten Gesicht ab. Nach diesem Spiel ist Quito fast Meister des Jahres 2008.

Corida de toros

Nach einigem kartentechnischen Hin-und-Her hatte es sich dann dann letztendlich doch entschieden: Ursprünglich waren mir die 45 $ für den Eintritt zu den alljährlichen Stierkämpfen anlässlich der Fiestas de Quito zu viel, aber als mich dann Paul in Not anrief und seine schon gekaufte Karte loswerden musste, entschied ich mich doch für diese Erfahrung spanisch-ecuadorianischer Kultur.
So machte ich mich dann auch mit Julia, Parviz und Tato zu den Eröffnungsstierkämpfen diesen Jahres. Am selben Tag war auch der Geburtsta von Tato, so dass wir gleich doppelt Grund und Lust zu feiern hatten.

Angekommen in der „Plaza de Toros“ erwarteten uns nicht nur die Menge der anderen Zuschauer, sondern auch haufenweise fliegende Händler, die zu unverschämten Preisen Lebensmittel und zu hervorragenden Preisen Hüte verkauften (man erinnere sich an den Verlust meines ersten Panamahutes...).
So erstanden wir nach kurzer Verhandlung - „Ein Hut, 15 $!“ ~ „2 für 10!“ ~ „OK!“ - unsere Sonnenprotektoren des Tages, mit der an jeder Ecke verschenkten Sonnencreme kam ich tatsächlich ohne Sonnenbrand durch den Tag.
Mit den frisch gekauften Sombreros ging es dann hinein in die feiernde Menge, die sich hauptsächlich um das gigantische Brahmazelt scharten, um hier einen Dreiviertelliter Bier für einen Dollar zu erstehen. Btw gab es mehr Bier als Wasser zum selben Preis...

Frisch gestärkt und mit dem hoffnungslos überteuerten Sandwich in der Hand ging es auf die Zuschauerränge der Arena. Viel kleiner als erwartet bekam ich auf den engen Sitzen der runden, steil ansteigenden Arena das erste Gefühl, mich im alten Rom zu befinden.
Nach der Schweigeminute für die gestorbenen Toreros und der Nationalhymne folgte der Einmarsch der Toreros, die sich hier schon kräftig feiern ließen. Was die beiden Toreros auf gepanzerten Pferden zu bedeuten hatten, würde sich mir erst später erschließen.

Neugierig auf den Stierkampf selbst beobachteten wir die Toreros bei ihren Vorbereitungen, Tücher schwenkend und seltsame Gerätschaften vorbereitend.
Dann machte ein Mann mit einem an Boxkämpfe erinnernden Schild die Runde in der Arena, auf dem Zuchtort und Gewicht des Stieres, sowie der Name des Matadores zu lesen waren.

Und dann kam auch schon der erste Stier unspektakulär in die Arena gelaufen.
Das erste was mich erstaunte, war die Tatsache, dass das Torerodasein ein Teamspiel ist. Sechs Toreros gegen einen Stier. Das zweite: Die roten Tücher sind rosa. Und schließlich das dritte: Die Toreros haben Zufluchtsschanzen aus Holz, welche in die Mauer der Arena eingelassen sind.Und diese Schanzen werden auch ohne Scham genutzt.
Von dem erwarteten Gefühl der Gefahr für die Toreros keine Spur.

So beschränkten sich die Toreros auch eine ganze Zeit lang darauf, mit ihren Tüchern hinter den Schanzen hervorzuwinken, woraufhin der Stier gegen das Holz rannte. Zwar ganz lustig anzusehen, aber nicht, was ich von einem Stierkampf erwartet hatte.
Nach zehn Minuten dieses Spieles, dass wohl zur Ermüdung des Stieres dienen sollte, kommen die zwei Toreros auf ihren gepanzerten Pferden hereingeritten. Die beiden tragen lange Lanzen und jetzt kommen auch die anderen aus ihren Schanzen hervor.
Von den Tüchern gereizt und angelockt läuft der Stier dicht an einem Reiter vorbei und bekommt eine Lanze zwischen die Schulterblätter. Wild geht er auf das Pferd los, das alles mit verbundenen Augen mit sich machen lässt und von den Hörnern des Stieres ein gutes Stück in die Höhe gehoben wird. Dank Panzerung passiert nichts und bald gibt der Stier das Spiel mit dem Pferd auf.
Er blutet jetzt heftig und beim nächsten Angriff auf einen Torero stolpert er ungeschickt und zieht eine Furche in den Sand der Arena.
Die schrägen Trompeten des Soldatentrios blasen und ein Torero tritt in die Mitte der Arena. Er trägt zwei Messer, an denen lange bunte Stäbe befestigt sind. Wild winkend läuft er auf den Stier zu, der prompt reagiert und auf ihn zurast.
Ein geschmeidiger Sprung, zwei Stöße und der Torero landet hinter dem Stier, aus dessen Rücken zwei Messer ragen, von denen die bunten Bänder baumeln.

Noch ein wenig wird mit dem Stier gespielt, dann ziehen sich die Toreros in ihre Schanzen zurück und der Matador betritt die Arena. Er trägt jetzt auch das rote Tuch, dass ich anfangs vermisste.
In der anderen Hand hält er ein Rapier, mit dem er das Tuch aufspannt. Er schreitet bis in die Mitte der Arena, grüßt unter dem Applaus der Menge mit seiner Mütze in die Runde und legt sie dann ab, um sich dem Stier zu stellen.
Unter den „Olé!“-Rufen der Zuschauer reizt er den Stier, lässt ihn dicht an sich vorbeilaufen, streift die Flanke und führt das Tier immer wieder in Kreisen um sich herum.
So geht es zehn Minuten weiter, bis der Stier vor Erschöpfung und Blutverlust zitternd vor dem Matador steht. Mit dramatischer Geste hebt der Matador das Rapier und zielt.
Dann ein Sprung nach vorne und ein Stoß.
Bis zum Griff steckt das Rapier in der Lunge des Stieres, der erzitternd losläuft, bis zum Rand der Arena kommt, in den Vorderbeinen einbricht.
Bebend kämpft sich der Stier noch einmal auf die Beine, die herbeigelaufenen Toreros reizen ihn mit ihren Tüchern, doch der Matador winkt ab. Er weiß, dass es vorbei ist.
Ein Zittern durchläuft die ganzen 455 Kilo Stier, dann bricht er zusammen, rollt auf den Rücken, die Beine zucken. Ein Mann läuft mit einem Messer herbei und setzt einen Todesstoß in den Nacken, als auch schon ein Karren mit zwei vorgespannten Pferden hereinrollt. Mit geübter Präzision wird der Kopf des Stieres eingespannt und die massige Gestalt aus der Arena geschleift.
Unterdessen setzt sich der Matador seinen Hut wieder auf und dreht seine Runde um die Arena.
Es regnet Rosen und Hüte, während die Menge stehend applaudiert.

Dann kommt auch schon der nächste Stier, der nächste Matador, der nächste Tod.

Man möge mich jetzt pazifistisch oder verweichlicht nennen, aber ich konnte dem Ganzen recht wenig abgewinnen. Es hat sich gelohnt, einmal im Leben einen Stierkampf gesehen zu haben, schon allein, um zu wissen, dass es der Letzte war. Zu sehen, wie das Tier so gequält wird und wenn der Matador am Ende den Todesstoß nicht setzen kann und drei, vier, fünf Anläufe braucht, bis der Stier so viel Blut verloren hat, dass er sich nicht einmal mehr bewegt, sondern nur auf den Tod wartet – Das hat nicht einmal mehr blutige Ästhetik.

Dagegen hatten die Kämpfe des weltbesten Matadores „El Juli“ etwas faszinierendes.
Die Art und Weise mit der er den Stier durch die Arena und um sich herum geführt hat, hatte definitiv etwas elegantes. Auch dass er der Einzige war, den Stier mit nur einem Stoß zu töten, ließ das Ganze wesentlich weniger grausam erscheinen und hatte etwas Symbolisches – Die Superiorität der Intelligenz über bloße Kraft.