Dienstag, 23. Dezember 2008

06.12.08 - Fiestas de Quito

Sechster Dezember!
Chivas auf allen Straßen!
Tanz und Besäufnis in allen Ecken!

Das sind die Fiestas de Quito.
Zumindest hatte man uns das versprochen. Unsere Koordinatorin Gina hatte uns sogar zu einer Reunión zusammengerufen, um uns vor dem wilden Spektakel zu warnen, uns zu ermahnen, nicht zu viel zu trinken und immer in der Gruppe unterwegs zu sein.
Eine ganze Woche lang sollte die Party gehen und sich über die ganze ecuadoriansche Hauptstadt erstrecken.
So machte ich mich am Donnerstag in der Fiestas-Woche auf den Weg nach Quito, Ziel die angepriesene „Avenida Amazonas“, als Rückhalt hatten wir uns noch die „Naciones Unidas“ ausgeguckt. In Quito angekommen, halb mit der Erwartung, dass schon am Busterminal die ersten Feiern zu sehen wären oder zumindest das normale Straßenbild Quitos um den einen oder anderen Besoffenen erweitert sei, fanden wir jedoch nichts dergleichen.

Auch die Amazonas erwies sich als Enttäuschung und als selbst in der Naciones Unidas nichts von Feiern oder auch nur „comida tipica“ zu finden war, sondern nur eine einsame Chiva mit nicht mehr als ein paar Musikanten beladen an uns vorbeifuhr, entschieden wir kurzerhand, nur dem Einkaufszentrum Quitos einen Besuch abzustatten, etwas zu essen und wieder nach Hause zu fahren.
Glücklicherweise kam dem ein Anruf Julias dazwischen, die uns dann davon berichtete, dass in der Floresta, einem Stadtteil von Quito, ein Bus eine geführte Stadtrundfahrt machen sollte, machten wir uns dorthin auf.
Nach kurzem Suchen und Nachfragen am Park der Floresta konnten wir nach Ticket-Hin-und-Her auch tatsächlich die „chiva cultural“ besteigen. Was beim Namen schon befürchtet war, erwies sich dann schnell als wahr. Wir hatten nicht den Bus einer Stadtrundfahrt bestiegen, sondern uns einer kulturellen Rundfahrt im „barrio floresta“ angeschlossen.

Chivas: Die das ganze Jahr über fahrenden, zu Zeiten der fiestas de Quito jedoch besonders frequentierten Chivas, bilden einen großen Teil der Kultur der Sierra. Diesen Bussen fehlt Dank einem Pimpmeister der ecuadorianischen Sorte nicht nur die Seitenverkleidung, sondern bieten neben Platz für eine Puebloband auf dem Dach auch einen Tank für den allgegenwärtigen „canelazo“ (s.u.) und Sitze für 60 Mann – Natürlich auf einem Bus für 30.

Diese „chiva cultural“ bot jedoch weder Band, noch Canelazo, dafür aber ein Filmteam und zwei unfassbar übermotivierte Führer in Althippytrachten. Von diesen geleitet ging es dann zur „Blume Ecuadors“, der Orchidee, genauer einem Orchideengeschäft. Die, mich als alten Biologen, noch interessierenden Ausführungen zu Zuchtweise und Artenreichtum der Blumen riefen bei Jakob nur ein müdes Gähnen hervor. Weiter ging es über die Werkstatt eines der „größten Talente, der größten Künstler, der besten... blablabla... ganz Ecuadors“, wo wir eine besondere Art der Möbelherstellung bewundern durften zu einem Universitätsgebäude, dass architektonisch recht interessant gestaltet war. Über das Atelier-Restaurant einer Pappmachékünstlerin und eine kleine Artesanalwerkstatt, die sich auf die Arbeit mit Naturfasern spezialisiert hat kamen wir dann auch wieder zurück.
Beruhigt das Gewissen, mal etwas kulturelles gemacht zu haben und interessant war das Ganze auch, wobei es jedoch nicht gerade die Erwartungen an die fiestas erfüllen konnte.

Der Tag darauf konnte neben Pauls Ankunft von der hazienda auch mit der Einladung Tatos zum Puntas-kaufen und Canelazo-machen aufwarten, woraufhin eine chiva-Tour angeschlossen werden sollte. Das Ganze abgerundet mit comida tipica versprach ein ecuadorianischer Tag mit Einblick in die Festivitäten Quitos zu werden.
So ging es dann in dem mit zehn Leuten beladenen Auto Tatos auf Richtung Äquatorlinie, auf der ein kleines unbedeutendes Dorf liegt, dass jedoch Hochburg der ecuadorianischen Puntas-Herstellung ist.

Puntas und Canelazo: Puntas ist der selbstgebrannte Zuckerrohrschnaps Ecuadors und wird in unterschiedlichen Methoden im ganzen Land hergestellt. Dabei variieren nicht nur Stärke und Geschmack schon innerhalb der herstellenden Pueblos, ein maßgeblich zu berücksichtigender Faktor ist auch der am nächsten Tag ausstehende chuchaki, der Kater, welcher sich bei dem zwischen 65 und 90 Umdrehungen starken Teufelzeug schnell einstellt.
Im Dezember wird Puntas jedoch nicht pur getrunken – solang man nicht Freiwilliger ist -, sondern zu Canelazo verarbeitet. Dieser „Glühwein Ecuadors“ wird je nach Geschmack mit Zimt, Naranjillas oder einfachem Orangensaft hergestellt und nach Belieben mit diversen Zusätzen eingedickt, sowie ordentlich gesüßt


Auf der Rückfahrt gab es dann die versprochene comida tipica, die sich bei der gesamten Gesellschaft als fritada mit moté, choclo, tostado und einer einsamen Kartoffel herausstellte und mir prompt Magenprobleme bereitete. Kann aber auch an den zwei Meerschweinchen gelegen haben, die draußen im Grill auf die letzte Hitze warteten, bevor sie verzehrt werden sollten.
Obwohl wir anschließend einen kurzen Abstecher nach Quito machten, war dort außer Regen nichts auszumachen, schon gar nichts feierliches und so ging es wieder nach Heim.

Comida tipica: Ist meistens Reis oder Mais mit irgendwas. Wobei Mais hier nicht gleich Mais ist. So ist moté gekochter weißer, tostado in einer Pfanne mit ein wenig Öl getoasteter gelber Mais und choclo der gekochte ganze Kolben. Auch das begleitende (meist Schweine-) Fleisch reicht in der Palette von fritada (mit viel Fett gebraten) über hornado (als komplettes Schwein aus dem Ofen gezogen) bis zu den Standardformen, die wir auch in Europa kennen.

Da auch an den folgenden letzten Tagen der fiestas in Quito nichts zu sehen war, bleibt meine Bilanz für diese Volksfeiertage bei miserabel. Sieht man von den Stierkämpfen ab, sowie davon, dass die mariscal unfassbar überfüllt war, ohne das mehr als Besäufnisse zu sehen gewesen wären, hätte das Wochenende auch an jedem anderen Datum im Jahr sein können...
Recht enttäuschend für den wichtigsten Feiertag Ecuadors.

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