Samstag, 25. Oktober 2008

Angekommen in Ecuador oder Leben im Vorort von „Dogtown“

Nach dem ersten Wochenende in meiner Familie gibt es gleich nen ganzen haufen zu berichten, wenn ich es auch aus Zeit- und Internetmangel jetzt erst schaffe:

Was man bei dem für ecuadorianische Verhältnisse reichen Haus nicht erwartet hätte, ist dennoch eingetreten. Denn nach einer Woche wurde das Versprechen, mich auch im Rest der Familie einzuführen, eingehalten – Ganz im Gegensatz zum Versprechen, meine Hängematte aufzuhängen.

Dafür ging es Samstag Nachmittag nach „Lumbisi Zentrum“, was nichts anderes bedeutete, als dass die Häuserdichte von 5/Straße auf unglaubliche 15 pro Straße anwuchs. Hier ging es dann auch direkt in das Haus meiner neuen Großeltern, wo ich vor allem durch den Garten geführt wurde.
Denn wie es sich für eine traditionelle ecuadorianische Familie gehört, ist diese nicht nur groß, sondern lebt so weit es geht autark. So besitzen auch wir hier in Lumbisi einiges an Land, in dem ich demnächst wohl auch fleißig Mais, Kartoffeln und Tomaten anbauen werde.
Wo mir die Landwirtschaft doch im Blut liegt...

Aber weiter im Text.
Nach dem Besuch der Großeltern und um Dutzende von Pflanzennamen auf Spanisch reicher, die ich gleich wieder vergessen habe, wurde der nächste Teil der Familie besucht.
Die Großmutter väterlicherseits mit etlichen Cousins und Cousinen, Tanten und Onkeln, deren Namen ich entweder schon wieder vergessen oder gar nicht erst verstanden habe. Ganz davon abgesehen, dass hier in Lumbisi sowieso jeder mit jedem verwandt ist (also ist nicht nur die Bevölkerungsdichte ein Anhaltspunkt auf Verwandtschaft mit Brachbach...) kann ich zu allem Übel auch nicht zuordnen, wer jetzt über wen in welchem Verhältnis zu wem steht...
Nicht einmal das Alter ist ein Anhaltspunkt, da der Dreijährige um die Ecke ebenso gut mein Vetter, Onkel oder Neffe sein kann... Man kann nie wissen.

Abgeschlossen wurde der Tag mit dem Besuch bei Blanca, dem ecuadorianischen Part der Fundacion VASE, mit der ich jetzt auch irgendwie verwandt bin. Tante glaube ich... Kann auch nur an dem Grund liegen, dass wir beide in Lumbisi wohnen.
Nach der Einladung mit Blancas Bruder und Nicolas (mein Gastvater) am kommenden Wochenende zum Fischen in die Berge zu fahren und dort zu Campen stellten wir noch eine Mannschaft aus der Familie zusammen und liefen dann zum „Stadion“.
Erstaunlich gut ausgestattet mit zwei Basketballplätzen und drei mehr oder weniger gut in Stand gesetzten Fußballplätzen spielten wir zunächst 2 vs 2. Wobei es mehr darauf ankam, die anderen am Spiel zu halten und Spaß zu haben, als Körbe zu werfen. Aber das ist wohl die ecuadorianische Mentalität. Auch als noch vier andere Jugendliche aus Lumbisi mit ins Spiel kamen wurde das Spiel zwar gewinnorientierter, aber trotzdem nicht krampfhaft gewinnfixiert.
Ich bin mir nicht sicher, ob das verständlich erklärt ist, aber die ecuadorianische Mentalität muss man einfach selbst erleben, um es nachvollziehen zu können.
Abends fiel ich dann nur noch erschöpft und dank fehlender Sportschuhe um ein 2 € Stück großen Teil meiner Haut am Fuß ärmer ins Bett, um mich für den folgenden Familientag zu erholen.

Im Gegensatz zu der ursprünglichen Ankündigung, Sonntag um 6 Uhr morgens aufzustehen, um auf dem Feld der Familie zu arbeiten, konnte ich auch solange ausschlafen, wie es zwei Kinder im Alter von zwei und fünf Jahren eben zulassen. Zum Mittagessen ging es dann zur Schwägerin meines Gastvaters, die ein Stück außerhalb Lumbisis auf dem Land wohnt. Wobei auf dem Land hier soviel bedeutet, wie fünf Minuten Fußweg außerhalb des Zentrums.
Neben der freundlichen Einladung, ihr demnächst mal bei der Feldarbeit zu helfen, bei der ich mir bis jetzt nicht sicher bin, ob sie ironisch gemeint war, durfte ich auch Familienfotos bewundern und meine ersten beiden Live-Geflügelschlachtungen miterleben.
Schließlich sollte es zum Mittagessen Gans geben und meine Familie brauchte noch ein gerupftes und ausgenommenes Huhn für die folgende Woche.
Um es kurz zu machen:
Es war bei weitem nicht so schlimm oder eklig, wie man es sich vielleicht als verwöhnter Europäer vorstellt, nur der Moment in dem das Huhn kopflos weiterzappelt ist etwas ... gewöhnungsbedürftig.
Auch das Wissen, dass der Geschmack meiner Suppen zu einem Gutteil von Hühnerinnereien herrührt ist nicht unbedingt wünschenswert und bestätigt mich in meinem Verhalten, kein Fleisch aus der Suppe zu essen.

Dafür waren jedoch sowohl Suppe als auch die nachfolgenden Entenstücke mit Kartoffeln und einer Soße aus vorher gekochten Eiern sehr lecker, wenn auch etwas zäh. Aber da man hier ja sowieso mit den Händen isst, war das auch kein Problem. Neben diesen dorf-ecuadorianischen Erlebnissen, durfte ich auch noch mit der Manifestation des Teufels in Form einer Babykatze Bekanntschaft machen. Das der Name Beelzebub für so viel Skepsis sorgen könnte, hätte ich nicht erwartet, doch da hatte ich nicht mit dem katholischen Ecuador gerechnet. Meine Gasteltern waren beide nicht sonderlich begeistert über den Namen, während die erstaunlich aufgeklärte, wenn auch arme Besitzerin der Katze nur lachte.
Überhaupt wurde während des ganzen Wochenendes sehr viel gelacht, sehr viel geredet und sehr viel über Deutschland und Europa gefragt. Ein gelungenes Wochenende in einer riesigen, herzlichen Familie – Also genau das, was ich eigentlich von meiner ecuadorianischen Gastfamilie erhofft hatte.

Samstagsergaenzung:
Die Uebernachtung in den Bergen von Papallacta ist flachgefallen, da irgendjemand irgendwem abgesagt hat, Nicolas ne Grippe hat und es sowieso viel zu kalt war... Schade eigentlich, aber es laesst sich ja wiederholen.

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