Samstag, 18. Oktober 2008

Leben bei Tato und eine Reise in den Norden

Eine kurze Übergangszeit bei Tato, meinem Kurzzeitvater und Besitzer des wahrscheinlich größten Bed&Breakfast von ganz Ecuador leitete mein „neues“ Leben hier in Ecuador ein.
Mit selbst für europäische Verhältnisse großem Luxus, riesigen Zimmern, eigenem Badezimmer mit Badewanne und einem begehbaren Kleiderschrank von der Größe eines eigenen Zimmers ließ sich die Übergangszeit bis zum Umzug in die neue Familie einfach verbringen.
Doch nicht nur der Luxus in diesem Haus war gigantisch, auch die Herzlichkeit und Freundlichkeit der Menschen, die es bewohnen.

Tatos Bed&Breakfast: Nur 20 Betten, dafür aber in einer Villa, die einem spanischen Kolonialherren würdig wäre. Etwas außerhalb von Quito in Cumbaya gelegen, was aber kein Problem darstellt, da der englischsprachige Besitzer gerne einen Abholservice vom Flughafen organisiert. Große Zimmer, warmes Wasser, Internet, dazu Hängematten, die dazu einladen in der Sonne der Sierra zu entspannen.
Dazu familiäre Besitzer mit einem riesigen Herz und das alles für 25$ (EZ), 35$ (DZ), 45$ (3er).
Schon allein wegen der Tipps zu sehenswerten Plätzen sowie zugehöriger Organisation des Besitzers den Besuch wert.


Tato, der Besitzer des Bed&Breakfast mit zahlreichen Nebenjobs und seinem Studium in den USA, seine Frau Christina, die als Chemie und Biologielehrerin arbeitet, sowie ihr überaus aktiver Sohn Nicholas nahmen mich so freundlich auf, dass ich mich nie als Kunde, denn mehr als Teil der Familie fühlte. Dieses Gefühl verstärkte sich nur noch mehr, als ich eines Tages -zugegeben nach einer langen Partynacht zuvor- hundeelend und mit mehr als nur einer Magenverstimmung im Bett lag und ich kurzerhand mit zu Tatos Familie genommen wurde.
„Ich will dich in meiner Nähe haben, wenn es dir schlecht geht!“

Doch nicht nur dies war in Tatos Haus zu erleben, da auch Jakob und Parviz ihre Familie wechseln, lebten wir drei für nahezu eine Woche, zusammen mit Vera und ihrer Mutter, die wieder nach Hause geflogen ist und zum Übergang ebenfalls bei Tato wohnte.
So hatten wir einige lustige Abende und lehrreiche Erfahrungen über die Mentalität der Latinos am Beispiel Tatos:
Schneide niemals ein Auto! Der Besitzer verfolgt dich bis ans Ende der Welt... Wenn er dich nicht aufgrund eines langsamen Autos ziehen lassen muss.
Respektiere deinen Gegenüber! Wenn eine Gruppe zu einem Barbecue eingeladen ist und sich plötzlich überlegt, doch lieber in den Kurzurlaub zu fahren, ohne Bescheid zu sagen...
Einer der einfachsten Wege, selbst die geduldigsten Leute zu vergraulen.
Abgeschlossen wurde diese Zeit von einer Wochenendreise nach Ibarra.

Ibarra: Oder „Die weiße Stadt“ liegt nach aktuellen Reiseführern etwa 2,5 h nördlich von Quito, man sollte jedoch immer die Anfahrtszeit zum entsprechenden Busbahnhof einberechnen, was den Weg schonmal au 4 Stunden bringen kann. Ibarra dient als Ausgangspunkt für Reisen nach Otavalo oder Cotacachi und ist bei Touristen als Startpunkt für die Zugfahrt Ibarra-Salinas bekannt. Persönlicher Tipp: Außer für den Zug nicht die Reise wert.

Nachdem sich unser Start um einen Tag verschoben hatte (s.o.), dafür aber eine Begleitperson mehr eingebracht hatte, machten sich Julia und Jakob, sowie meine Wenigkeit auf den Weg nach Ibarra. Wir hatten die Reise schon vorher geplant, doch die Planung so oft umgeworfen und erneuert/ergänzt, dass es uns schließlich nichts ausmachte, sie ganz über Bord zu werfen, als uns der andauernde Regen endgültig einen Strich durch die Rechnung machte.
So war am ersten Tag statt einem Lagunenbesuch nicht mehr drin als der erneute Besuch von Otavalo, wo Julia und ich nach einigem Feilschen jeweils eine Hängematte für unschlagbare 11 Dollar erstanden.

Otavalo: Der größte Indígena-Markt der Andenregion wartet mit einer unglaublichen Vielzahl von handgemachten Produkten aus Wolle, Holz und Vulkangestein auf. Die hier lebenden Indígenas sind durch die hohe Zahl von Touristen sehr wohlhabend, ohne dabei jedoch ihre Wurzeln zu vergessen oder gar verleugnen zu wollen – wie man es oft in Quito findet. Hier wird noch die traditionelle Tracht getragen und barfuß gelaufen, um mit Pacha Mama in Verbindung zu bleiben. Dagegen weist der Markt selbst oftmals ein Schwarzmarktflair auf, das seinesgleichen gesucht. Gefälschte Ware zu Dumpingpreisen zwischen den authentischen handgefertigten Ponchos und Panamahüten, sowie die Möglichkeit den Preis jeder Ware um 30% bis 80% zu drücken machen den Besuch von Otavalo zum Erlebnis.

Von dort ging es auf direktem Wege weiter nach Ibarra, wo wir uns eine Herberge suchten. Das war jedoch mit dem Problem verbunden, dass jeder Herbergsvater uns auf unsere Hautfarbe reduzierte und die Dollarzeichen in den Augen zu blinken begannen.
So lehnten wir denn auch die erste Herberge ab, in der uns gnadenlos überteuerte Preise nicht zu verhandeln waren. Dafür kehrten wir dann in der zweiten Herberge ein, deren Besitzer uns nicht nur herzlich willkommen hieß, sondern uns auch eifrig seine Vielzahl an gesammelten Schnapsfläschchen zeigte.
Belustigt und mit der Gewissheit, eine Unterkunft für die Nacht zu haben, machten wir uns auf den Weg, dass angeblich beste Eis Ecuadors zu essen und etwas zu essen zu suchen, um danach gestärkt das Nachtleben Ibarras unsicher zu machen.
Das Eis war in Ordnung, die zuvor ausgesprochenen Lobeshymnen konnten jedoch nicht bestätigt werden, auch wenn das Eis noch traditionell aus großen Bronzepfannen geschabt wird.
Dafür gab es ein Abendessen, dass sich mit allem messen konnte, was ich jemals gegessen habe – Selbstgekochtes mal ausgeklammert.
„Donde el Argentino“ verwöhnte uns mit unglaublich guten Steaks, die nicht nur mit Qualität, sondern auch mit Quantität auftrumpfen konnten. Ein Steak, wie ich es besser noch nicht gegessen habe!

Gesättigt und zufrieden rollten wir Richtung „Cafe Arte“, wo wir nicht nur einen guten Wiskhey und eine, dem Namen alle Ehre machende Speisekarte antrafen, sondern auch die in Ecuador offenbar allgegenwärtigen Deutschen. Doch nach den Strapazen des Tages und Vortages waren wir alle nicht in allzu großer Partystimmung und machten uns deshalb früh wieder auf zu den Schnapsfläschchen, um eine angenehme Nacht zu verbringen.
Schließlich sollte es am nächsten Morgen schon um 7 Uhr weitergehen. Die Zugfahrt stand auf dem Plan.
Nach einer kleinen und äußerst günstigen Stärkung in einer örtlichen Panaderia konnten wir uns auch im Schienenbus platzieren. Der seinem Namen alle Ehre machte, da der ganze „Zug“ nur aus einem auf Schienen gestellten Bus bestand, mit der Ausnahme, dass die Möglichkeit bestand, sich auch aufs Dach zu setzen.
Zwar war dies während der Fahrt durch Ibarra selbst nicht möglich...

... da seit einigen Jahren, das Fahren auf dem Dach verboten ist. Dies geht auf den Fall zweier Japaner zurück, die während der Fahrt die Bekanntschaft von den in Ecuador üblichen Siemens Luftleitungen machten. Mit tödlichem Ausgang.

Doch nach dem Verlassen der Stadt konnten wir uns alle einen Platz auf dem Dach sichern, von dem aus man einen herrlichen Blick auf die langsam vorbeiziehende Sierra-Landschaft hat und konnten auch eine Vielzahl an Fotos schießen. Aufgelockert wurde die zweistündige Fahrt durch acht Tunnel, durch die mit besonders hoher Geschwindigkeit und lautem Gekreisch der Passagiere gefahren wurde.
Nebenbei trafen wir auch ein Pärchen aus Ecuadorianerin und Schweden, die ebenfalls auf Entdeckungsreise durch Ibarra und Umgebung waren und uns empfahlen, den „Parque del Condor“ zu besuchen, was wir auch nach Abschluss der Zugreise gerne in Angriff nahmen.
Mit dem Bus ging es wieder zurück nach Ibarra -die Busfahrt dauerte 45 Minuten, der Zug benötigte für die selbe Strecke zwei Stunden- und von dort nach Otavalo.
Zum Kondorpark kamen wir dann via Taxi, doch der Park selbst hielt keine Dinge von großem Unterhaltungswert bereit, wenn man mal von dem Erlebnis absieht, einen 1,20 Meter großen Kondor aus drei Meter Entfernung bestaunen zu können.
Auch die nächste Flugshow war leider zu spät für uns, da wir schließlich noch nach Quito zurück mussten. So verließen wir den recht kleinen Park bald wieder und machten uns auf den Weg zurück in die kalte Hauptstadt Ecuadors.
Hier wurden wir auch prompt wieder von Regenschauern empfangen, so dass wir alle uns nur so schnell wie möglich auf den Weg nach Hause machten...

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