Samstag, 18. Oktober 2008

Trautes Heim, Glueck allein und “¡Yo tengo un Corazon para mi profe!”

Eine Woche im neuen Zuhause mit einer weiteren Arbeit ist ins Land gezogen und langsam wird es auch mal wieder Zeit den Blog auf den neuesten Stand zu bringen. Das wird aber auch in naechster Zeit wohl immer ein wenig laenger dauern, da ich jetzt auf Internetcafès angewiesen bin und nicht mehr das Glueck habe, bequem von zuhause den Blog aktualisieren zu koennen.
Doch von vorne:
Nach der Zeit bei Tato ging es letzte Woche Dienstag in meine neue Familie in Lumbisi, einem kleinen Ort etwas naeher an Quito und vor allem auch naeher an meinem Projekt. Hier wohne ich jetzt im zweiten Stock eines grossen Hauses, dessen untere Etage jedoch fuer einen Schreibwarenladen genutzt wird.
Alles in allem muss ich auch weiterhin keine grossen Abstriche an Lebensqualitaet machen, wie das anderen Volunteers bereits passiert ist, da ich ein eigenes Zimmer mit eigenem Bad und mehr oder weniger warmes Wasser habe. Alles nicht so gross, wie bei Salazars, auch kein Internet, aber ich fuehle mich doch deutlich wohler.

Meine neue Familie besteht aus Maria und Marinesoldat Nicolas, sowie den beiden Kindern Nicole (5) und Mattheo (2), alles in allem also eine sehr junge Familie, die mich sehr herzlich aufgenommen haben, und in der ich mich gleich als Teil der Familie gefuehlt habe. Hier ersetzen jetzt Gespraeche das Internet und die Versuche, Mattheo von meiner Laptoptastatur fernzuhalten die Bitten um Deutschnachhilfe.
Zudem, ich haette es ja nicht gedacht, kann ecuadorianisches Essen wirklich lecker sein!
Mit ein paar Gewuerzen und Kraeutern anstelle eines Ernaehrungsplans kann man auch aus “Pollo y arroz” (Haehnchen und Reis) eine wohlschmeckende Mahlzeit zubereiten…
Auch sonst kann ich mich kaum beklagen, hat meine Familie doch gleich mein ganzes Wochenende verplant und wird mich wohl spaeter am Tag noch dem Rest der Familie vorstellen und einiges mit mir unternehmen.
Der kleine Wermutstropfen ist die ecuadorianische Erziehung, die dazu fuehrt, dass die beiden Kinder im Haus wenig hoeren, dafuer aber umso mehr Scheisse bauen. Aber dafuer gibts ja dann meine vierzehnjaehrige Cousine vor Ort, die Tag fuer Tag mitisst und entweder in der Papeleria mit Hausaufgaben hinter dem Tresen steht oder aber auf die Kinder aufpasst.

Im Gegensatz zu meiner ersten Familie liess sich hier auch schon der eine der andere Kulturschock erleben, da sich das Bildungsgefaelle ind er ecuadorianischen Gesellschaft doch deutlich zu zeigen beginnt.
So habe ich die ersten zwei Tage nur mit dem Loeffel gegessen, auf meine spaetere Frage nach Messer und Gabel wurde erst verdutzt geschaut und dann das alte Marinegeschenk des Vaters, ein sechsteiliges Besteckset hervorgekramt.
Von diesem Tag an ist auch der Rest der Familie fleissig das Essen mit Messer und Gabel am Ueben.
Auch die Esskultur im Ganzen bleibt ein wenig auf der Strecke, da weder zusammen gegessen wird, noch das Essen genossen, sondern mehr geschlungen wird.
Ebenso wie mit Emma – btw¡Ich VERMISSE Emma!- gab es dann auch schon einen kurzen Geografieexkurs, sowie eine kleine Erklaerung, warum denn in Europa alles teurer ist und woher die verdammten Gringos eigentlich soviel mehr Geld haben als der Rest.
Dafuer weiss ich mittlerweile, was die “buque” ist, habe einen Einblick in das Leben eines ecuadorianischen Marinesoldaten bekommen, presse mir jeden Morgen meinen Orangensaft selbst und geniesse das Leben in einer auesserst warmherzigen Familie mit manchmal recht anstrengenden Kindern.

A propos anstrengende Kinder.
Mittlerweile helfe ich ja ein bisschen in einem Kindergarten aus, da die Leiterin Yolita ueber den ehemaligen Volunteer Dominik in der Fundación VASE nach Hilfe gefragt hat. Da ich sowieso in der Naehe arbeite und ja ein kinderlieber Mensch bin, mache ich meine Unterichtsvorbereitung jetzt nachmittags und gehe dafuer in meinen Freistunden Richtung “Guarderia Santa Inèz”.
Nach meinen ersten Stunden in der Guarderia weiss ich auch, warum die Latinos sprichwoertlich den Rhythmus im Blut haben. Denn die Minuten, in denen in der Guarderia keine Musik laeuft, gesungen oder getanzt wird lassen sich an einer Hand abzaehlen. Unter der Leitung der unglaublich energischen und liebevollen Yolita werden hier zu allen moeglichen lateinamerikanischen Kinderliedern Lieder fuer das Wetter gesungen, mit den Haenden ganze Stapel von Blaettern gelb angemalt und kleine Papierschnipsel aufgeklebt.
Und obwohl sich der Kindergarten rein durch Spenden finanziert, erhalten die Kinder Fruehstueck und Mittagessen, haben eine Vielzahl von Spielsachen und Material zum Basteln und Malen. Aeusserst beeindruckend.
Ebenso beeindruckend fortschrittlich fuer das doch sehr rassistische Ecuador ist das Erziehungskonzept von Gleichheit und gegenseitigem Verstaendnis. Auch wenn ich diese Arbeit weder fuer den Rest meines Lebens machen wollte, noch laenger als vier Stunden am Tag, so kann ich hier doch sehr viel mitnehmen, nicht zuletzt die Hochachtung vor Kindergaertnerinnen, die acht Stunden oder laenger am Tag mit einer Horde unerzogener Blagen aushalten muessen, ohne dass diese sich gegenseitig umbringen.

Eine Anekdote aus dem Kindergarten zum Abschluss:
Ich konnte es kaum glauben, als der groesste, kraeftigste Junge der Guarderia am zweiten Tag meiner Arbeit zu mir kam und mir wehmuetig eroeffnete: “Profe, ich habe keine Freunde!” Damit nicht genug hatte er auch noch die feste Absicht mich als seinen Freund zu gewinnen mit den Worten: “Ich habe ein Herz fuer meinen Profe!”
Sehr verdutzt habe ich ihn einfach nur zu den anderen geschickt und ihm gesagt, dass alle hier seine Freunde sind… Komische Welt…

Al fin: Fotos aus Tatos Haus sowie vom Trip nach Ibarra stehen auf Picasa online, Fotos aus der Guarderia, von meiner Familie und hoffentlich auch mal aus meinem Colegio kommen spaeter…

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