Montag, 17. November 2008

Pulchones und Quinceñera

Zeit, Zeit, Zeit.
Die Zeit vergeht hier so schnell, dass man es kaum mitbekommt.
So berichte ich heute auch wieder ueber Ereignisse, die sich schon vor zwei Wochen zugetragen haben. An diesem Wochenende war naemlich wieder grosse Familienaction geplant, eingeleitet von den Vorfuehrungen zur Indígenakultur ausgerichtet von der Escuela meiner Gastschwester Nicole.
Klar, dass das Pflichtveranstaltung war.

Ecuadorianisches Schulsystem: Das Schulsystem hier in Ecuador scheint folgendermassen aufgebaut zu sein. Eingeschult wird nach 2 optionalen Jahren Kindergarten (Guarderia) in die Grundschule (Escuela), wo die Kinder dann die 6 ersten Schuljahre verbringen, um danach auf der weiterfuehrenden Schule (Colegio) ihre Schullaufbahn zu beenden. Dabei ist es jedoch nicht auf jedem Colegio moeglich, den selben Abschluss zu erlangen. Manche Colegios schliessen nach Decimo (unserer neunten Klasse), andere fuehren bis zum Bachillerato, was der hoechste Schulabschluss ist.
Weiterhin sind die Colegios hier weitaus spezialisierter als in Deutschland. So gibt es technische Colegios, altsprachliche, medizinische, naturwissenschaftliche bis hin zu den auslaendischen Schulen, die von dem jeweiligen Land bezahlt und gefuehrt werden, dafuer auch einen grossen Teil der Stunden in der Landessprache abhalten.


Zu der Veranstaltung giung es dann Mittags ins Stadion von Lumbisi, wobei der hochtrabende Name “Stadion” jedoch eine nur eine mehr oder minder eigeebnete Grasflaeche mit Betontribuenen bezeichnet, die insgesamt vielleicht Platz fuer 300 bis 400 Zuschauer bieten.
Da dieses Fest jedoch ohnehin nicht die Kapazitaeten bot, um diesen Rahmen im entferntesten sprengen zu koennen, stoerte das niemanden. Dank des Akkus meiner Kamera, der nach 5 Fotos den Geist aufgab, kann ich die Eindruecke leider (fast) nur schreibenderweise teilen.
Zu typisch ecuadorianischer Musik fuehrten die einzelnen Klassen der Escuela ihre einstudierten Taenze vor. Gekleidet in die traditionelle Kleidung des Kitu Kara Pueblos ging es dabei hauptsaechlich darum, Sombreros rhythmisch in die Luft zu heben oder symbolisch der Sonne zu huldigen. Fuer mich persoenlich war es interessant es gesehen zu haben, ohne dabei jedoch das Gefuehl zu haben, in die ecuadorianische Kultur eingetaucht zu sein.

Kitu Kara: Das Pueblo Kitu Kara ist in der Provinz Pichincha beheimatet, wobei Pueblo nichts anderes heisst, als dass sich dieser Indígenastamm in Kleidung, Kultur von den anderen (bspw. des Oriente) abgrenzt, ohne dabei jedoch die Verwandtschaft zu leugnen. Die Trachten der Kitu Kara bestehen aus schwarzen Ponchos ueber weissen Camisetas (eine Art langaermliger, bestickter Hemden) und weissen Leinenhosen, dazu die klassischen einfach geschnuerten Sandalen.
Die Frauen tragen weinrote Ponchos ueber weissen Blusen und bestickten Roecken.


Neben dieser positiven Erfahrung ecuadorianischer Kultur, durfte ich an diesem Nachmittag auch die erste negative Erfahrung als Weisser unter Indígenas machen. Begruesst wurde ich gleich zu Anfang von der Leiterin einer Tanzgruppe mit der Bemerkung zu ihren Freundinnen, dass ich wohl mit der Gruppe der Peluchones auftreten wuerde.
Peluchones sind dabei die weissen Pfarrer der Kolonialzeit, die dafuer beruechtigt waren, den Reichtum der Ureinwohner zu horten und sich nur in Gegenwart Hoehergestellter an christliche Werte zu halten.

Diese ganze Geschichte war jedoch schnell vergessen, als es nach diesem Event zum Haus meiner Cousine ging. Die hatte naemlich ihren fuenfzehnten Geburtstag zu feiern, was hier in Ecuador soviel heisst, wie der Uebergang von Maedchen zu Frau und dementsprechend gefeiert wurde.
Die bei meiner ersten original ecuadorianischen Feier noch zur Genuege gefundenen Zweifel an Sinn und Verstand der ganzen Tanzerei habe ich mittlerweile auch gut abgelegt und neben der Fotografiererei den Abend gut auf der Tanzflaeche verbracht. Spaetnachts versuchte dann mein Gastvater Nicholas noch, mir die traditionellen Tanzschritte der Ecuadorianer beizubringen, was jedoch wenig Erfolg zeitigte.
Alles in allem war es wieder eine typische Feier der Leute hier, auch wenn sie dieses Mal weitaus groesser angelegt war. Von einer extra fuer Caro abgehaltenen Messe ueber ein grosses Abendessen bis zu den bereitgestellten “Damas y Caballeros”, welche die Quinceñera in ihr fuenfzehntes Lebensjahr ueberfuehrten war alles dabei.
Sogar ein Auftritt fake-mexikanischer Mariachis wurde noch geboten, bis der offizielle Teil schliesslich mit dem “Anbiss” der Torte endete, der -alter ecuadorianischer Brauch- dazu genutzt wurde, um Caros Gesicht grosszuegig mit Torte einzudecken.

Fotos von dieser Feier gibts zur Genuege und werden selbstverstaendlich auch nachgereicht…

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