Samstag, 22. November 2008

Fiestas del Colegio

Tag I

Die SMS erreicht mich zu nachtschlafendert Zeit. Normalerweise muss ich erst spät in der Guarderia sein, aber heute reißt mich das penetrante Piepen meines Handys aus dem Schlaf.
„Sei um halb acht im Colegio, heute gehen die Fiestas los!“
Ich weiß zwar, dass Fiestas sind, aber wann die losgehen, was da geplant ist und überhaupt... Was weiß denn ich kleiner Volunteer da schon?

Also raus aus den Federn, schnell geduscht und gefrühstückt um mit einer halben Stunde Verspätung – man nannte es die „hora ecuatoriana“ - in der Schule anzukommen. Mein Handysaldo ist leer, damit kann ich auch in der Guarderia nicht Bescheid sagen, dass ich nicht komme. Scheiße.

Angekommen in der Schule merke ich schnell, dass ich eigentlich noch gemütlich im Bett liegen könnte, halten die Nonnen doch gerade noch ihre Messe ab. Aber immerhin komme ich so zum ersten Mal in den Genuss von Messe auf Spanisch, unter Weihrauchgemüffel und dem furiosen Ende einer Feuerwerksrakete.
Was allerdings auch der Auftaktknall für die Fiestas gewesen sein kann.
Als dann endlich alles an seinem Platz ist, Musik und Boxen gebracht werden und alle Schülerinnen sich draußen versammelt haben, kann es losgehen. Jedoch ganz anders als erwartet.

Statt Reden, Vorführungen oder anderen Dingen, die man auf einer Schulfeier in Deutschland vielleicht machen würde, stehen hier Sackhüpfen und Eierlaufen auf dem Plan.
Nachdem auch ich mich mit den anderen Lehrern einbeinig in einer Reihe aufgestellt hüpfenderweise vor den Schülerinnen zum Affen gemacht habe, kommt schließlich noch die einzige Vorführung des Vormittags:
Ein traditioneller ecuadorianischer Tanz, der in traditionellen Trachten aufgeführt wird.
Unter zahlreichen „Viva christo rey!“-Rufen vergeht so der Großteil des Vormittages, anschließend sollte eigentlich der Unterricht fortgeführt werden, aber die Lehrer haben eine Sitzung. Da es sich bei diesen Reuniones meistens nur um Glaubensfragen und Schulpolitik handelt nehme ich nicht teil, sondern schaue mir das Spektakel der Schülerinnen auf dem Schulhof an.

Denn: Man gebe Ecuadorianern Musik und eine freie Fläche und – Sie tanzen.
Mit den eben noch traditionelle Musik abspielenden Boxen und rasch aufgelegtem Reggaeton, sowie dem großen Schulhof tanzten sich meine sonst so schüchternen Schülerinnen die Seele aus dem Leib. Ohne Aufforderung, ohne Alkohol, am hellichten Tage.
Warum sieht man sowas nicht mal in deutschen Schulen?

Tag II

Wenig passiert.
Wenn man mal davon absieht, dass ich mich tatsächlich zur ersten Stunde aus dem Bett gequält habe, um dann ins Colegio zu kommen, ohne dass da irgendwas passiert, ist kaum was erwähnenswert.
Der Grund für die Unterbeschäftigung der Lehrer, die sich bei den weiblichen Beschäftigten in Kochen umsetzt, ist der Zeichnen- und Malwettbewerb, der in drei Stunden ausgeführt werden soll.

Die besten Bilder werden anschließend an einen Orthografiewettbewerb der unteren Klassen von einer fachkundigen Jury – will heißen Sekretär Ronny und den beiden für die Schule zuständigen Nonnen aus dem Kloster – ausgewählt und prämiert.
Die eigentlich für danach angedachten Sportwettbewerbe (Volleyball, Basketball und Fußball) werden kurzerhand durch Singen religiöser Lieder ersetzt.
Will hoffen, dass das morgen nicht wieder so läuft, sonst beginne ich ernsthaft an Sinn und Zweck meines Trainings zu zweifeln. Immerhin werden laut Diego Mix-Mannschaften aus Schülerinnen und Lehrern untereinander spielen. Warten wir ab, was weiß Diego schon...

Achja, abgesehen von den Fiestas gab es noch eine Volunteer-Versammlung, die nach den obligatorischen Besprechungen von Fiestas de Quito („Trinkt nicht so viel!“) über Midterm-Camp (Dank der Weltwaerts-Leute wurde das mal eben von 2 auf 5 Tage verlängert – Bei gleichem Budget) schließlich in einer Sitzung Gruppentherapie endete.
Normalerweise ja sehr offen für sowas – immerhin ehemals angehender Psychologe – konnte ich mir jedoch nach den ersten Ausführungen über eine „göttliche Essenz“ und ähnliches die Bemerkungen nicht mehr verkneifen.
So erwuchs immerhin aus den Entspannungsübungen, bei denen wir irgendwann ein „Licht“ sehen sollten eine recht interessante Diskussion, ob es etwas wie eine allgegenwärtige „Essenz“ gibt, die uns allen innewohnt und uns vereint. Den zentralen Punkt des Psychologen habe ich jedoch leider verpasst und die Nachfrage konnte auch er nicht beantworten, aber es schien um etwas wie Heimweh zu gehen... Wo da dann auch immer die Verbindung zur „göttlichen Essenz“ liegt...

Tag III

Befürchtungen wurden wahr.
Wofür trainier' ich die Mädels eigentlich, wenn die nie spielen dürfen?
Der Tag bestand neben den obligatorischen Tänzen von traditionell über RocknRoll zu HipHop eigentlich nur aus Warten und Zeit absitzen – in der man auch ohne Probleme mal ein Volleyballspiel hätte unterbringen können.
Dafür waren die Tänze immerhin nicht schlecht gemacht, einsame Spitze natürlich Julias Tanz mit „meinen“ Tercero-Mädels (wobei diese Wertung natürlich absolut nicht voreingenommen ist).
Zwischen Tänzen und Warten gab es dann noch die eine oder andere Vorführung, neben einem Theaterstück über ecuadorianische Exekutive hauptsächlich religiös motivierte, wobei die Aussage des jeweiligen Stückes jedoch nicht aus der Vorführung selbst hervorgehen musste, da immer eine Erklärung nachgeschoben wurde: „Die Aufführung soll zeigen, dass man immer an Gott glauben soll und er einen nicht allein lässt!“
Ansonsten sollten wir Freiwilligen noch einen vor dem ganzen Colegio austanzen, was jedoch ebenso realisiert wurde, wie das geplante Mittagessen mit allen Lehrern - Nämlich nicht.
Damit ist eigentlich auch alles über den dritten Tag der Fiestas gesagt, erwähnenswert bleibt nur noch, dass mir noch zwischen Tür und Angel mitgeteilt wurde, dass es wohl nächste Woche Trimesterexamen gibt und dass ich die doch bitte noch bei der Direktion zur Vorüberprüfung einreichen sollte. Den Schock konnte Diego glücklicherweise wieder aufheben, weil er – laut eigener Aussage – da schon was vorbereitet hat. Warten wir ab.

Summa summarum...
Waren die Fiestas ganz lustig und vor allem eins: Anders.
Von Organisation zur Einstellung der Schülerinnen, von Vorführungen zu „Viva Christo Rey!“-Rufen war dieses Schulfest in keinster Weise mit einem Deutschen zu vergleichen.

PS: Fotos stehen oben...

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