Sonntag, 7. Juni 2009

Colombia - Teil I

Samstagmorgen.
Früh aufstehen um den international verkehrenden Ormeno-Bus in Quito zu erwischen.
Denn heute sollte es losgehen, endlich mal aus Ecuador raus, auf nach Kolumbien!
Die Informationen zur Sicherheit im Hinterkopf hatten wir uns gegen die geläufigen Überlandbusse entschieden, mit denen wir auf ecuadorianischer Seite bis zur Grenze und auf der anderen Seite dann bis nach Cali hätten kommen können. Der internationale Bus dagegen brachte uns in der Direktverbindung mit einem kurzen Zwischenstop an der Grenze direkt bis nach Bogotá.

Die Grenzüberquerung war erstaunlich einfach, vielleicht hatte ich es mir auch zu kompliziert vorgestellt. Ein Formular ausfüllen, Censo und Reisepass vorzeigen, einmal kritisch gemustert und dann das ganze Procedere nochmal auf der anderen Seite.
Kurz vor der Grenze waren wir von der ecuadorianischen Polizei komtrolliert worden, uns als weiße Touristen mit europäischen Pässen wurde dabei wenig Aufmerksamkeit geschenkt, nur der Kolumbianer mit argentinischem Pass musste einige Fragen über sich ergehen lassen.
Hinter der Grenze tauschten wir schnell ein paar Dollar in kolumbianische Pesos um, kauften Wasser und Brötchen für die Weiterreise, dann fuhr der Bus auch schon weiter. Macht man Sicherheit an Polizeipräsenz fest, hätten die folgenden Stunden jegliche Zweifel an der Reisesicherheit Kolumbiens ausräumen müssen, denn wir wurden unfassbare sieben Male kontrolliert. Manchmal in ausgewachsenen Straßensperren, an denen ganze Polizeitruppen die durchkommenden Fahrzeuge und ihre Passagiere kontrollierten, manchmal nur von kleinen Patrouillen, die rasch Dokumente und Rucksäcke durchsuchten.
Weder die eine, noch die andere Sorte von Kontrollen ging dabei jedoch allzu sorgfältig vor, was auch an unserem Touristenaufzug gelegen haben mag. Unsere Rucksäcke wurden nur in zehn Prozent der Fälle überhaupt geöffnet, beim Anblick der Flip-Flops kurz gegrinst und zum Nächsten übergegangen. Unser Busbegleiter dagegen musste sich gleich bei der ersten Kontrolle durch Zivilpolizei wegen einem ganzen Bündel Geld verantworten, das er mit sich herumtrug.
Niemand weiß, wie viele der Scheine den Besitzer wechseln mussten, um ihm die Weiterfahrt zu erlauben, doch besonders glücklich kehrte der kleine, dicke Peruaner nicht in den Bus zurück.

Von Kontrolle zu Kontrolle änderte sich auch das uns umschließende Land.
Waren kurz hinter der Grenze noch Andenpanorama und schnell fließende Bäche die prägende Landschaft gewesen, in der kleine, untersetzte Menschen lebten und die Häuser unfertig, ungestrichen wie an die steilen Hänge geklebt erschienen, fanden wir uns schon nach wenigen Stunden auf einer ebenen Straße wieder, den gekühlten Bus verlassend schlug uns gleich die drückende Hitze entgegen. Die Häuser waren mit mehr Liebe zum Wohnen gestaltet, keine rostigen Träger ragten aus den Dächern, in der Hoffnung die nächste Generation würde vielleicht weiterbauen. Palmen und subtropische Landschaft rahmten die gerade, ordentlich asphaltierte Straße ein, während die schon beinahe europäisch-großen Menschen ihrem Tagesgeschäft nachgingen. Die ganze Atmosphäre, aufgebaute Mangostände, Sonnenschein und freundliche Menschen brachten mich so richtig in Urlaubsstimmung, während Cumbia den Bus beschallte und ich unsere Ankunft kaum erwarten konnte.
Als wir nachts um 2 Uhr in Cali ankamen, eigentlich als erstes Ziel unserer Reise geplant, doch durch einen gelungenen Bestechungsversuch an den Busfahrer vereitelt, waren die kurzen, durchs Fenster erhaschten Eindrücke westlich und sauber. Bald wieder eingeschlafen, erreichten wir am nächsten Tag endlich Bogotá, das erste Etappenziel auf unserer Reise. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon 750 km und 30 Busstunden der Reise hinter uns gebracht.
Am Terminal erwartete uns schon die nächste Überraschung. Zunächst war das Terminal nicht allgemein zugänglich, betreten und verlassen konnte man es nur durch kontrollierte Zugänge. Dadurch waren alle lästigen fliegenden Händler nach draußen verbannt, innen gab es nur lizensierte Stände, mit genormten Preisen. Das Terminal verlassend, um mit einem Taxi zum Hostal zu fahren, wurden wir am Ausgang aufgehalten und erhielten ein Zettelchen mit Zielort und genauem Preis für das Taxi in die Hand gedrückt. Betrug ausgeschlossen.
Weiter ging es mit dem Erstaunen, als wir durch das offensichtlich geplante Bogotá fuhren, in dem nicht an jeder Ecke halbfertige Gebäude aus dem Boden sprossen, einheitliche Farbgebung und Sauberkeit auf einen Stadtplaner schliessen ließen und alles ein wenig nach Cuenca roch.
Bald hatten wir unsere erste kolumbianische Unterkunft erreicht, die Backpackerherberge “Platypus” im historischen Stadtteil Bogotás, welche mit Europäern und Amerikanern geflutet war. Internet im Haus und Gratisfilterkaffee überzeugten uns trotz recht hohem Preis zum Bleiben.

Der Rest des Nachmittages wurde mit Essen und einem kurzen Streifzug durch die Straßen der Hauptstadt verbracht, wobei jedoch außer dem ordentlichen Stadtbild nichts besonders auffiel. Auf der Suche nach dem historischen Stadtzentrum wurden wir enttäuscht oder suchten vielleicht am falschen Ort. Schön restaurierte koloniale Gebäude suchten wir zumindest vergebens und kehrten bald wieder ins Hostal zurück. Während des Rundganges hatten wir gleich noch das leidige Geldproblem erledigt und den nahen Automaten leergeräumt. Rasch wurde eingekauft und die Küche in Beschlag genommen. Selber kochen im Namen des Geldsparens.
Abends gingen wir aus, doch unser Plan, die Ankunft in Kolumbien ordentlich zu feiern machte der Sonntagabend zunichte. Im Partyzentrum der Stadt mit !Acht Millionen Einwohnern! waren außer einigen Mittdreißigern, die sich ruhig ein Bierchen tranken nichts anzutreffen. Schließlich kamen wir in der „Colombia Beer Company“ unter, in der es interessant schmeckendes Bier zu probieren gab. Nach weiterem Herumsuchen gaben wir den Abend schließlich verloren und kehrten unverrichteter Dinge wieder ins Hostal zurück. Nach 30 Stunden Busfahrt fielen wir dann auch alle nur noch ins Bett, glücklich endlich ordentlich schlafen zu dürfen...
Den nächsten Tag in Bogotá verbrachten wir wieder mit Stadtrundgang und einem Ausflug auf den nahen Aussichtspunkt, der nur über eine Schienenbahn zu erreichen war. Von dort war das gigantische Stadtpanorama von Bogotá zu überblicken, das sich rotbraun unter uns erstreckte.
Doch schon bald trieb es uns wieder weiter, immer Richtung Karibik.

Santa Marta und das nahe Tauchtouristenörtchen Taganga sollten unser nächstes Ziel sein. Mit dem nahen Nationalpark Tayrona, in dessen verwilderten Tiefen die „Ciudad Perdida“, die verlorene Stadt, begraben liegt und dem Ruf, wunderschöne Strände zu besitzen schien uns diese Gegend ideal. Nach einer weiteren Nacht im Bus und mehrfachem Umsteigen in der brütenden, staubigen Hitze der nahen Karibik, fuhren wir im Taxi über die kurvige Straße nach Taganga hinunter. Noch auf der anderen Seite des Hügels riefen wir uns alle noch einmal die Postkarten in Erinnerung, die sich gleich in Realität vor uns ausbreiten sollten. Weißer, palmengesäumter Strand vor blauem, kristallklarem Wasser, in dem mit etwas Glück auch mal ein Delfin zu entdecken war.
Dann erreichten wir die Hügelkuppe und – die ganze Seifenblase platzte.
Unter uns lag ein stinknormales Meer, das man genauso auch am Pazifik hätte finden können, von Palmen keine Spur und der Sand machte auch keine Anstalten, weiß in der Sonne zu leuchten.
Als wir wenig später am Strand standen, der zum Teil auch noch als Bauschutthalde herhalten musste, war es schon fast zum Heulen, sich umzuschauen und das griechische Panorama der verbrannten Hügel über dem trüben Wasser zu erblicken.
Enttäuscht wandten wir uns also erstmal vom Strand ab, um eine Unterkunft zu suchen.
Trotz Nebensaison war die Hostalsuche nicht einfach, doch schließlich hatten wir ein Zimmer mit Klimaanlage und Kabelanschluss für einen ordentlichen Preis gefunden, in dem wir die nächsten Tage unterkommen konnten. Den Nachmittag im Hostal und am Strand vergammelnd, gingen wir abends im Strandrestaurant essen, dessen Highlight die unfassbare Type von Kellner war. Fragen nach einem weiteren Getränk wurden schonmal mit einem einfachen „No.“ abgeschmettert und zur Aufnahme der Bestellung setzte sich der Gute auch gerne zu den Gästen an den Tisch.
Nach diesem Abendessen teilte sich unsere Gruppe auf. Während Jakob im Hostal in der Gesellschaft einiger Backpacker zurückblieb, machten wir anderen uns, mal wieder durch Party-Kai angetrieben, auf nach Santa Marta. Den halben Abend mit lustigen spanischen Wörtern in einer Straßenkneipe verbringend, fanden wir auch an diesem Abend wieder keinen Ort zum Feiern und fanden uns kurz nach Mitternacht wieder im Hostal ein. Dort trafen wir auf die lustige Backpackergesellschaft, die fleißig zechend ihre Bierrunden beendete und sich bald nach uns auflöste.
Der folgende Tag ist kaum einer Erwähnung wert, lange Gespräche unter uns vier, ein kurzer Einkaufstrip nach Santa Marta, wo scheinbar Markttag und deshalb die ganze Stadt auf den Beinen war, abends dann noch die Bestätigung für den Tauchtrip am folgenden Tag und dann wurde der Rest des Abends vor Deutscher Welle verbracht und der Wirtschaftsjedi Dr. Sinn gefeiert, der in einer Talkshow sämtliche Proargumente für eine Opelrettung auseinandernahm (nicht, dass ich prinzipiell gegen eine staatliche Rettung von Opel wäre, aber es ist einfach gänzlich unwirtschaftlich).

Am nächsten Tag hieß es früh aufstehen, der Tauchkurs stand an. Aufgeregt ging ich mit Paul, der eine Lizenz besitzt und somit einen anderen Tauchgang machte, zur Tauchschule, wo ich jedoch zuerst einmal eine dreiviertelstündige Videoeinweisung anzuschauen hatte, bevor es endlich losgehen konnte. Mit dem Boot fuhren wir zum ersten Tauchspot, das heißt, zunächst zu einem seichten Strand, wo ich mit zwei anderen Tauchschülern und dem Lehrer abgesetzt wurde, um einige Trockenübungen zu machen, die Ausrüstung kennen zu lernen und langsam an das Unterwasserabenteuer herangeführt zu werden.
Es stellte sich ein kleiner Defekt an meiner Ausrüstung heraus, nicht schwerwiegend genug, um den Tauchgang unmöglich zu machen und dann, nach einem letzten gegenseitigen Equipmentcheck fand ich mich auf einmal auf dem Boden des Meeres wieder. Zischend füllten sich meine Lungen mit Luft, jede meiner Bewegungen wie in Zeitlupe schaute ich mich um, registrierte die eingeschränkte Sicht durch meine Taucherbrille, beobachtete die schillernden Luftblasen, die meiner Maske entwichen und gen Wasseroberfläche taumelten. Dann wiederholten wir die zuvor am Strand durchgeführten Übungen noch einmal unter Wasser. Was tun, wenn die Maske weg ist. Dem andern Luft aus der eigenen Flasche geben, schließlich noch den idealen Auftrieb finden, um einen knappen Meter über dem Meeresboden im Wasser zu schweben.
Wie nichts verging die Zeit, die Luft, für etwa 40 Minuten eingeplant wurde knapp und so ging es zurück an den Strand.
Abgeholt wurden wir dort bald wieder von dem Boot, das uns zum Mittagessen in die schuleigenen Cabanas brachte, wo wir auch wieder auf die anderen Taucher trafen. Nach einer kurzen Unterhaltung und Erfrischung machten wir uns alle gemeinsam zum zweiten Tauchgang auf.
Dieser war freier, da wir die Grundlagen nun kannten und uns ganz auf die Erforschung dieser neuen Welt unter Wasser konzentrieren konnten. Diesmal ging es deutlich tiefer, leichte Druckprobleme auf den Ohren zeugten davon.
Doch dafür gab es unglaublich viel zu sehen.
Korallenäste, zwischen denen bunte Fische hin und her huschten. Große Schwärme, die sich wie von einer Hand gesteuert im absoluten Gleichklang bewegten. Rochen, die fast unsichtbar durch ihre Musterung über den Sand glitten und dabei wie organische UFOs aussahen. Ein kleiner Kugelfisch, der sich prompt zu einem stachligen Ball aufpumpte, als wie uns näherten und das Ende eines gigantischen Aals, das unter einigen Felsen hervorschaute.
Staunend durchschwammen wir diese wunderbare, fremde Welt und folgten nur ungern der Aufforderung unseres Tauchlehrers, wieder an die Oberfläche zurückzukehren.

Der Nachmittag war nach der Rückkehr abwechselnd Internet und Kais Magellanbuch gewidmet, das ich in diesem Urlaub noch beenden wollte. Abends gab es für Paul und mich nur noch die Deutsche Welle, bevor wir, für Jakob und Kai unverständlich, früh ins Bett gingen.

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